Lust auf eine besondere Reise? Komm mit auf die (leicht) strahlende Tour zum Atomkraftwerk Tschernobyl.
Bist du alt genug um dich an den Fall der Berliner Mauer zu erinnern?
Wo warst du, als du von den Flugzeugen im World Trade Center erfahren hast?
Ein ebenso epochales Ereignis war das Unglück von Tschernobyl 1986.
Ich war erst 7 und zu jung um die Atom-Katastrophe zu verstehen. Um so mehr fasziniert mich heute der größte nukleare Unfall und seine Folgen.
Ohne das Unglück von Tschernobyl würden wir in einer anderen Welt leben!
Gorbatschow nannte es sogar als Hauptgrund für das Ende der Sowjetunion. Schlimmer noch als der enorme wirtschaftliche Schaden war das Systemversagen.
Stell dir mal vor Tschernobyl wäre nicht passiert und es gäbe die Sowjetunion heute noch.
Anschaulich werden Fehler im sowjetischen System in der gut gemachten HBO Mini-Serie „Chernobyl“ (2019) dargestellt. (läuft in Deutschland auf Sky)
Aber um Tschernobyl wirklich zu verstehen, musst du den Unglücksort besuchen. Das ist auf einer Osteuropa-Reise einfach und ungefährlich. Hier erfährst du wie und warum.
Tschernobyl Karte: Übersicht über die Sperrzone
Auf der Karte siehst du in blau die Route einer Standard-Tagestour von Kiew nach Tschernobyl. Das in lila ist die 30-Kilometer-Sperrzone und das rote die 10-Kilometer-Sperrzone.
Tschernobyl Tour: Kiew Tagesausflug mit Führung
Eine Möglichkeit Tschernobyl zu sehen ist ein Tagesausflug von der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Das gehört zum Standard-Programm von rund einem Dutzend Touranbietern.
Es gibt auch keine legale Alternative die Sperrzone individuell zu besuchen. Nur die Touranbieter können dich bei den Checkpoints für einen Besuch anmelden.
Wenn du die rund 85 Euro für eine Tagestour bezahlst, musst du dich dann aber auch um gar nichts kümmern. Selbst das Mittagessen ist bei den meisten Touren inklusive.
Die Touren finden mit wenigen Ausnahmen täglich statt. Weil Tschernobyl immer beliebter wird, musst du mit immer mehr anderen Tourgruppen rechnen.
Praktische Infos zu den Touren findest du am Ende des Artikels.
Strahlung in Tschernobyl: Ist ein Besuch gefährlich?
Der große Vorteil einer Tour ist natürlich, dass dein Führer Bescheid weiß, wo die Radioaktivität gefährlich hoch ist.
Der größte Teil der Sperrzone ist heute unbedenklich. Es gibt aber nach wie vor einige radioaktive Hotspots, die man meiden sollte.
Dazu gehören Moosflächen und Pilze, die Radionuklide besonders stark aufnehmen. Aber auch ganze Gebiete sind noch kontaminiert, wie der „rote Wald“ nahe dem Reaktor.
Wenn du die vermeidest ist selbst ein mehrtägiger Besuch ungefährlich. Die Strahlenmenge bei einem Flug nach Kiew ist höher als in einem Tag in der Sperrzone.
Prypjat besuchen: Die Geisterstadt bei Tschernobyl
Die größere Gefahr sind die langsam baufälliger werdenden Gebäude. Offiziell ist das Betreten zwar verboten, aber das stört niemanden – zum Glück!
Die Geisterstadt Prypjat ist nämlich das eigentliche Highlight des Ausflugs. Für eine kurze Exkursion gehen wir durch den verlassenen Kulturpalast und durch eine Schule.
Vor dem Reaktorunfall war Prypjat quasi ein Silicon Valley der Sowjetunion. Nur Musterbürger durften in der Modellstadt 3 Kilometer vom Atomkraftwerk wohnen.
1986 wurde die Stadt nach dem Unfall evakuiert und die Uhren sind stehengeblieben. Du gehst heute vorbei an Sowjet-Propaganda und einem nie eröffneten Vergnügungspark. Der ganze Ort ist ein Museum.
Willkommen in Prypjat, Bevölkerung 0. Stell dir vor, dass nach dem Ende der Menschheit einmal alle unsere Städte so aussehen werden.
Tschernobyl heute: Bilder vom Sieg der Natur
Mindestens ebenso interessant wie Urban Exploration in den Gebäuden ist das viele Grün außerhalb. Die Natur hat sich Prypjat längst zurückerobert.
Schon der zentrale Platz vor dem Kulturpalast erinnert an einen Endzeitfilm. Bäume wachsen hier nach mehr als 30 Jahren durch die Fliesen und aus dem Asphalt.
Die ehemals breiten Parade-Straßen in Prypjat sind nur noch einspurig befahrbar. Links und rechts wuchert dichter Wald. Manchmal kannst du aus dem Busfenster ein Gebäude ausmachen.
Wir sehen keine Tiere, aber es soll hier viele Elche, Wölfe, Wildschweine und Rehe geben. Die Rest-Strahlung ist kein so großer Feind wie der Mensch außerhalb der Sperrzone.
Friede Freude Eierkuchen in Tschernobyl?
Im Verlauf der Tour stellt sich nicht nur wegen der vielen Natur ein Eindruck von Harmlosigkeit ein. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber Friede Freude Eierkuchen eher nicht.
Einmal stehen wir Schlange am Selfie-Spot direkt vor dem havarierten Reaktor. Der Geigerzähler zeigt sich selbst hier sehr müde. Er schlägt auf der Tour nur einmal, beim Vorbeifahren am roten Wald aus.
Auch dank der laxen Sicherheitsvorschriften kommt kein Gefühl von Gefahr auf. Die Militärs stehen gelangweilt rum. Für Tausende von hier lebenden Arbeitern ist die Sperrzone sowieso Alltag.
Es hilft auch nicht, dass wir mit einer großen Gruppe von 30 Leuten in einem Reisebus unterwegs sind. Immer wieder sehen wir andere Tourgruppen, obwohl wir versuchen ihnen aus dem Weg zu gehen.
In vielen der Gebäude empfangen uns Stillleben mit schön drapierten Gasmasken oder Kinderpuppen. Die Sperrzone wirkt so eher wie die disneyfizierte Inszenierung einer Katastrophe.
Ist eine Tschernobyl Tour Katastrophentourismus?
Aber ist es schlimm, wenn die Sperrzone um Tschernobyl heute eher harmlos ist? Sollten wir uns nicht freuen, dass selbst so ein Super-GAU viel weniger bleibende Schäden hinterlässt als erwartet?
Besucher in Tschernobyl sind Teil des weltweiten Katastrophentourismus. Aber wem schadet der Tourismus in Tschernobyl? Der von Krieg und Währungskrise gebeutelten Ukraine sicher nicht.
Sind die Liquidatoren die Leidtragenden, weil sie am heutigen Selfie-Spot ihre Gesundheit für den Bau des Sarkophags riskiert haben? Oder haben sie genau für diese Unbeschwertheit heroisch gekämpft?
Tschernobyl ist sehr polarisierend. Wenn du mich fragst ist das Unglück ein Mahnmal gegen Lügen und gegen das Sparen bei der Sicherheit. Es ist ein Fanal für eine gute Sicherheitskultur.
Wenn ein Boeing Manager einem Angestellten sagt, dass er einen Baufehler beim 737 Max verheimlichen soll, dann muss ohne zu Überlegen die Antwort kommen: „Das ist ja wie bei Tschernobyl!“
Tschernobyl unterscheidet sich in dem Punkt nicht von Auschwitz oder Hiroshima. Je mehr Leute in die Sperrzone kommen um so besser. Wir müssen uns an das Unglück und die gemachten Fehler erinnern.
Todes-Opfer: Welche Folgen hatte Tschernobyl?
So schlimm Tschernobyl auch war. Bei einem Besuch lernst du, dass sich viele Mythen um die größte Nuklearkatastrophe ranken. Ich war vorher fest überzeugt Tschernobyl hätte zu Missbildungen geführt und zu Hunderttausenden Todesopfern.
Laut offiziellen Zahlen sind 31 Menschen direkt durch Tschernobyl umgekommen. Nur Opfer aus dem Jahr 1986 zu zählen ist natürlich Blödsinn. Wenn du alle Folgeopfer bis heute mitzählt, sind es mehrere Hundert Todesfälle.
Die Weltgesundheitsorganisation geht von 4.000 Todesopfern aus. Das sind Hochrechnungen über Todesfälle durch Strahlenfolgen bis 2065, vor allem Krebs. Die Langzeitfolgen waren nicht so gefährlich, wie man zuerst angenommen hatte.
Greenpeace kommt in einer eigenen Hochrechnung auf viel mehr Todesopfer, nämlich 93.000. Übertriebene Zahlen und erfundene Horrorgeschichten über angebliche Fehlbildungen haben laut WHO mehr Menschenleben gekostet als die Strahlung selbst. Psychosomatische Angst war die schlimmste Gesundheitsfolge von Tschernobyl.
Überrascht? Das war ich allerdings auch, als ich mich wegen unserem Besuch mit Tschernobyl beschäftigte. Tschernobyl war sehr schlimm, aber nicht annähernd so schlimm, wie es oft dargestellt wird.
Nicht die Strahlung war das Hauptproblem von Tschernobyl, sondern die Angst davor. Das ist nicht nur geschichtlich interessant. Strahlenangst ist auch heute noch ein großes Problem bei dieser klimafreundlichen Energiequelle.
Unfall-Ursachen: Wie ist Tschernobyl passiert?
RBMK-Reaktoren wie Tschernobyl hatten um Kosten zu sparen 3 schwerwiegende Baufehler:
- positiver Blasenkoeffizient
- Graphitspitzen am Bremsstab
- keine Sicherheitshülle
Eine unvorbereitete Nachtschicht sollte für einen „Sicherheitstest“ alle automatischen Notfallsysteme abschalten. Dann wurde sie unter Drohungen gezwungen alle Bremsstäbe auszufahren. Durch Baufehler 1 kam es zu einer selbst verstärkenden Leistungssteigerung.
Als die Leistung rasch stieg betätigte die Kraftwerks-Crew die Notabschaltung. Statt zu bremsen, verstärkten die einfahrenden Bremsstäbe wegen Baufehler 2 die Leistung aber noch auf das Hundertfache. Niemand wusste von dem Baufehler, weil er absichtlich geheimgehalten wurde.
Das Kühlwasser verpuffte explosionsartig und ließ den tonnenschweren Reaktor in die Luft schießen. In einer zweiten Knallgas-Explosion wurde der Reaktor dann in der Luft zerrissen. Radioaktives Kernmaterial wurde wegen Baufehler 3 in die Umgebung verteilt und der schmelzende Reaktorkern lag offen. Hier ist der genaue Ablauf des Tschernobyl-Unfalls.
Hätte es einen dieser Baufehler nicht gegeben, egal ob 1, 2 oder 3, dann würden wir den Namen Tschernobyl heute nicht kennen.
Sicherheitskultur: Kann sich die Katastrophe wiederholen?
Die Chernobyl-Fernsehserie geht zwar auch auf die Baufehler ein, aber vor allem geht es den Machern um die Fehler im sowjetischen System. Mit einer guten Sicherheitskultur hätte die Katastrophe vermieden werden können.
Im Vordergrund steht in der Serie Valery Legasov. Der Leiter des Untersuchungskomitees wollte Baufehler 2 mit der Notabschaltung nach dem Unfall bekannt machen, um ähnliche Unfälle in Zukunft zu verhindern.
Selbst in der Glasnost-Ära der Sowjetunion führte das zur Ächtung und zum vorzeitigen Ende seiner Karriere. Er hat sich am zweiten Jahrestag von Tschernobyl das Leben genommen.
Die Sicherheitskultur der Sowjetunion war grottenschlecht. Wer ein Problem ansprach, wurde selbst zum Problem gemacht. Es war wichtiger für Fehler nicht verantwortlich zu sein, statt Fehler zu vermeiden.
Tschernobyl passierte also nicht nur wegen den Baufehlern. Aber ohne die drei Baufehler eines russischen RBMK-Reaktor hätte die Katastrophe von Tschernobyl nicht passieren können.
In einem deutschen AKW wäre das nicht passiert und die deutschen Meiler sind noch uralte Designs aus den Sechziger Jahren.
„Chernobyl“ TV-Serie & andere Empfehlungen
Du planst noch keine Reise in die Ukraine? Schau erstmal die fünfteilige HBO-Serie „Chernobyl“. Von den Wertungen auf IMDB ist das mittlerweile die beste TV-Serie aller Zeiten.
Die Fernsehserie ist halbwegs realistisch, aber es gibt einige Hollywood-Dramatisierungen. Zum Beispiel wird bei den Szenen im Krankenhaus nahegelegt, dass eine Strahlenerkrankung ansteckend sei, sogar für ungeborene Babies. Strahlenopfer werden aber nicht selbst radioaktiv. Allgemein sind die Strahlenfolgen stark übertrieben dargestellt.
Wenn du über das wahre Tschernobyl lesen willst, nimm dir das 2019 erschienene Buch Midnight in Chernobyl* vor. So viele Fakten wie der New York Times Bestseller hat kein anderes Buch zusammengetragen. Dank mehreren Jahrzehnten Abstand zum Unfall enthält das Buch auch vormals geheime Infos. Midnight in Chernobyl gibt es auch als Hörbuch*.
Überhaupt nicht empfehlen kann ich den B-Movie Horrorfilm „Chernobyl Diaries“. Die erste Hälfte ist noch ok, aber die zweite Hälfte langweiliger Horror und respektlos gegenüber den tatsächlichen Opfern von Tschernobyl.
Mehr Infos über Tschernobyl heute findest du im tollen Reisebericht von Walter Rüegg. Er hat mit einer kleinen Expertengruppe sogar den Kontrollraum des Reaktors 4 besucht. Als Kernphysiker kann er die Vorgänge in Tschernobyl mit Expertenwissen erklären.
Und hier ist der Text, der mich vor ein paar Monaten zu meinem Besuch motiviert hat: In Tschernobyl gibt es nichts zu befürchten (englisch)
Tschernobyl Tour von Kiew: Praktische Infos
Die Tagestour von Kiew dauert wirklich den ganzen Tag bis mindestens 21 Uhr. Mach die Tour besser nicht an dem Tag, an dem du abends noch einen Rückflug erwischen musst.
Morgens um 8 Uhr ist Treffpunkt. Wir haben uns mit unserem Touranbieter am Maidan getroffen. Der große zentrale Platz ist super per Metro zu erreichen. Je nach Anbieter gibt es andere Treffpunkte.
Es sind 2 Stunden Fahrt bis zur 30-Kilometer-Sperrzone. Dort musst du am Checkpoint die Regeln unterschreiben. Dann bekommst du ein Dosimeter, das deine Strahlung aufzeichnet.
Am Ende der Tour wird dann deine Strahlendosis im Dosimeter ausgewertet. Außerdem gibt es jedes Mal beim Verlassen der Sperrzone einen Strahlentest. Transparent ist das alles aber nicht.
Nimm eine Flasche Wasser, einen Regenschirm und lange Kleidung mit. Lange Hosen solltest du die ganze Zeit tragen. Langarm wird nur in der 10-Kilometer-Sperrzone empfohlen.
Welcher Touranbieter für den Tschernobyl-Ausflug?
Welchen Touranbieter du auswählst ist relativ egal. Die fahren alle ungefähr die gleiche Route ab. Achte darauf, dass das Mittagessen in Tschernobyl nicht auch noch extra kostet.
Eine teure deutsche Tour halte ich für unnötig. Das Englisch auf unserer Tour war sehr gut verständlich. Zusätzlich kannst du einen Geigerzähler mieten – muss auch nicht sein.
Buche mindestens eine Woche vorher. Wenn du nur wenige Tage vorher buchst können Touren ausgebucht oder teuer sein. Die Touranbieter müssen außerdem im Vorfeld deine Daten übermitteln.
Wenn du kein Urban Explorer bist, wird dir die Tagestour ausreichen. Mehrtägige Touren sind erheblich teurer. Du übernachtest dann im Ort Tschernobyl 15 Kilometer vom AKW. Bei viertägigen Touren kannst du sogar das AKW selbst besichtigen.
Wir sind mit dem ältesten Tschernobyl-Touranbieter Solo East gefahren. Die sind sehr zu empfehlen und mit einem 10% Rabatt ab 2 Personen auch preislich attraktiv. Du musst auch nur die Hälfte der Kosten vorher anzahlen.
Meine Frau und ich haben die Tour und die Ukraine-Reise natürlich selbst bezahlt, ohne Sponsor.
Empfehlung: Tschernobyl Museum in Kiew
Selbst wenn du die Tschernobyl-Tour nicht machen willst, schau in das Tschernobyl-Museum in Kiew. Das bietet viele Informationen und Modelle. Der große Raum mit einer Reaktor-Replika ist sehr gelungen, siehe Bild.
Kiew und die ganze Ukraine sind übrigens ein tolles Reiseziel.
Fährst du nach Tschernobyl oder lässt du es lieber?
Dies ist mein Beitrag zur Blogparade Schwarzer Tourismus bei The Road Most Traveled.
Die Reisekamera für meine Fotos ist eine Canon Profikompakte*
*Affiliate-Werbelink: Wenn dir meine Infos helfen kaufe bitte darüber – kostet nix extra!
Baidolu
27 Juli 2020Die Tour ist auf jeden Fall Wert gemacht zu werden. Gefährlich eher nicht, wenn man sich an die Regeln hält. Wir fanden es sehr schön und eindrucksvoll da. Die Tour regt sehr zum Nachdenken an.
Lothar
2 Mai 2020Hallo Florian,
jetzt habe ich schon vor Corona die Flüge nach Kiew für August gebucht.
Und nun sieht es so aus das es auch dieses Jahr nicht klappt.
Dann noch die Waldbrände.
Das wird wohl nichts.
Grüße Lothar
Florian Blümm
4 Mai 2020Hi Lothar,
ich fühle mit. Diesen Sommer wollte ich nach Weißrussland.
Hoffen wir auf 2021…
Das mit den Waldbränden in der Sperrzone ist eine Katastrophe. Viele der kleinen Dörfer sind schon abgebrannt. Prypjat und die Duga-Radarstation sind wohl bisher verschont geblieben. Wenn Prypjat abfackelt, dann ist diese Tour kaum noch zu empfehlen.
Grüssle,
Florian
Marek
5 Feb. 2020Letztes Jahr besuchten 124.000 Menschen die Sperrzone von Tschernobyl auf ukrainischer Seite. Auf weißrussischem Gebiet gibt es ein ähnliches Territorium, das in Folge der Katastrophe eingerichtet wurde. Nur circa 1.000 Menschen besichtigten im Jahr 2019 diesen Ort. Die weißrussische Sperrzone nördlich der #Ukraine bietet also eine Alternative zur mittlerweile stark besuchten Region rund um das havarierte Kernkraftwerk. Dort gibt es zwar keine Geisterstadt wie Prypjat, doch dafür locken mehrere Dutzend verlassene Dörfer und Fabriken sowie eine Stadt, die zur Zeit der Katastrophe noch im Bau war. Die Strahlung in der weißrussischen Sperrzone ist deutlich höher als auf ukrainischem Gebiet und aufgrund der geringen Besucherzahl sind die Orte noch nahezu unberührt und wirken wie im Dornröschenschlaf gefangen. Besonders interessant ist, dass es in der weißrussischen Sperrzone kein Verbot zum Betreten der Gebäude gibt, sodass der Erkundungsfreiheit keine Grenzen gesetzt sind. Das Polessische Naturreservat in Belarus
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Dennis - wanderzelt.de
5 Juli 2019Nabend Florian,
ich muss gestehen, auch mich reizte bisher Tschernobyl bzw. vielmehr Prypjat. Aber nachdem, was ich hier bei dir so lese von einer „lustigen Tourführerin“ und so… Irgendwie fehlt mir da schon ein bissel der Respekt, was da mal passiert ist. Und wenn ich obendrein lese, dass da mittlerweile Hinz und Kunz hinfährt, dann ist Prypjat für mich kein Ziel mehr.
Die Tage habe ich erst im TV abend einen Beitrag gesehen. Das grenzt ja schon an Massentourismus?! Nee, danke. So ganz ungefährlich wie du das hier darstellst, war das im TV übrigens auch nicht. Stellenweise ist die Strahlung doch verdammt hoch, das entscheiden manchmal nur wenige Zentimeter. Der eine „Fleck“ ist sauber, einen halben Meter weiter ist die Strahlung plötzlich extrem hoch.
Mmh, wie gesagt, so wie das mittlerweile in Massentourismus ausartet und vor allem dann per Social Media die Bilder „gezeigt“ werden, fehlt mir da jeder Respekt vor dem damaligen Unglück. Die Menschen, die heute noch unter den Folgen leider, sehen was sicher weniger locker als die meisten heutigen Touristen oder deine „lustige Tourführerin“.
Übrigens: Es gab schon vor Tschernobyl einen Super-GAU. 1979 auf Three Mile Island (USA). Allerdings ist dieser Unfall bis heute relativ unbekannt, da es quasi keine Todesopfer gab. Aas deine „sichere Atomkraft“ angeht: Alles schön und gut, aber was bitte ist mit den Brennstäben? Ein Atommüllendlager gibt es in Deutschland bis heute nicht. Davon ab sind die Dinger noch über tausende von Jahren eine Gefahr. Ich bin beileibe kein Grüner, aber dieser Atomscheiß sollte so schnell wie möglich weg.
Genug gemeckert, danke für deinen Bericht. Interessant, aber leider für mich nun wirklich ein Grund, niemals nach Prypjat zu reisen.
Grüße aus dem Harz
Dennis
Florian Blümm
6 Juli 2019Ja, die einsamen Tage in Tschernobyl sind nach der TV-Show vorbei. Und ich war auch überrascht, wie touristisch der Ort schon ist. Wir waren am Wochenende nach der finalen Folge dort.
Aber gefährlich ist Prypjat echt nicht, von den baufälligen Häusern mal abgesehen. Diese TV-Show-„Dokumentationen“ müssen halt auch ein Schockelement zeigen und suchen so lange bis sie etwas mehr Strahlung über nem Moosbewuchs finden.
Der einzige wirklich gefährlich radioaktive Ort im heutigen Prypjat ist der Keller des Krankenhauses, wo die Kleidung der Feuerwehrmänner liegt. Dort hält aber keine Tour und der Keller ist längst zugeschüttet worden, so dass selbst Urbexer nicht reinkommen.
Der rote Wald und andere immer noch stark kontaminierte Orte in der Sperrzone sind ne andere Geschichte. Klar gibt es dort gefährliche Radioaktivität, aber du kommst du im Rahmen einer Tour gar nicht hin.
Du hast aber vollkommen recht, dass sich die Tschernobyl-Touren zu wenig auf das Unglück beziehen. Wenn ich aus Auschwitz rauskomme, bin ich überwältigt von den schlimmen Ereignissen. Wenn ich aus der Sperrzone rauskomme denke ich, das war doch gar nicht so schlimm.
Das ist definitiv die falsche Lektion. Die Chernobyl-Fernsehserie und das Tschernobyl-Museum in Kiew können diese Lücke nur teilweise füllen.
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Kernspaltung wird nie vollkommen sicher sein und es war vollkommen richtig die uralten Meiler der 1. und 2. Generation aus den Sechzigern und Siebzigern in Deutschland abzuschalten. Aber keine Form der Energieerzeugung ist sicher und die wirklichen unsichtbaren Killer sind fossile Kraftwerke. Kohlekraftwerke sind viel schlimmer als selbst Tschernobyl.
Wenn wir uns zwischen Kohle und Kernkraft entscheiden, dann sollte die Wahl nicht schwer fallen. Aber natürlich sollten es nur AKWs der 3. Generation sein, wie z.B. EPR oder AP-1000. Erneuerbare können in einigen Jahrzehnten eine Rolle spielen, wenn wir es schaffen die unbedingt nötigen Speichertechnologien zur Marktreife zu bringen. Die Speicher fehlen jetzt schon, obwohl wir erst 4% unserer Energie aus Zappelstrom wie Wind und Solar gewinnen. Speicher sind noch ferne Zukunftsmusik, aber wir brauchen jetzt eine Lösung.
Die Endlagerung von Atommüll ist nun wirklich kein Thema für einen Reiseblog. Aber ok, lass uns kurz drüber reden. Wenn du darüber nachdenkst ist das doch vor allem ein politisches Problem nach dem „Florian-Prinzip“. Es gibt hunderte Endlager weltweit, allein 30 in Russland. In Deutschland gibt es bei jedem Castor-Transport und bei jeder Ankündigung einer Endlager-Untersuchung gleich enorme lokale Proteste: „Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd‘ andere an“…
Apropos, Russland hat erst die Gesetzgebung geändert, so dass sie in Zukunft Atommüll anderer Länder aufnehmen können. Selbst die Tschernobyl Sperrzone könnte bei der Endlagerung eine Rolle spielen. Das wäre ironisch…
Aber ganz ehrlich, die Endlagerung von Brennstäben wäre eine furchtbare Verschwendung und auch nicht sicher. Der Brennstoff ist ja nur zu 3% verbraucht und hat hohe Halbwertszeiten. Besser ist es die Brennstäbe in kürzerlebige Elemente zu transmutieren, das geht auch subkritisch. Noch besser wäre es aber die „verbrauchten“ Brennstäbe in schnellen Brütern als Brennstoff zu verwenden, zusammen mit den vielen ausgemusterten Atomwaffen. Russland macht das schon in ihren BN-Reaktoren. Frankreich will in mittelferner Zukunft Leichtwasser-Reaktoren auslaufen lassen und ganz auf schnelle Brüter zur Energieversorgung setzen.
Was auch immer wir zum Eindämmen der Klimakrise tun, wir sollten endlich damit anfangen. Wenn wir noch länger gar nichts machen ist es bald zu spät.
Lothar
30 Juni 2019Hallo,
über den Link in der Blogparade bin ich auf Deinen Beitrag gekommen.
Chernobyl interessiert mich schon lange. Ich kann mich recht gut daran erinnern das ich in den Tagen nach dem 26. April 1986 per Anhalter unterwegs war und auch Nachts draußen übernachtet habe wenn mich keiner mitgenommen hat.
Bzgl des Fallouts der auch über Deutschland nieder kam habe ich später immer mal Angst bekommen. Es war regnerisch in den Tagen. Und immer wenn mich ein zipperlein plagte dachte ich ich währe verstrahlt.
Die Angst damals ging schon sehr um.
Vor kurzem war ich in Kiew (nur zwischenstopp nach Baku) Als ich da einen Touristen Bus mit Chernobyl Werbung gesehen hatte kam der Wunsch wider hoch mal ins Sperrgebiet fahren zu wollen.
Vor kurzen Habe ich dann auch die HBO Serie Chernoby auf Sky geschaut. Die Fazination ist schon recht groß. Ich denke das ich da schon in kürze mal hinfahren werde.
Dein Tipp für den Tschernobyl-Touranbieter Solo East war für mich sehr nützlich. Denn aus der Vielzahl von Touranbietern den richtigen zu finden ist schon mühsam.
Ich glaube man muss jetzt schnell hin. Es wird bestimmt immer mehr und voller dort.
Mal sehen ob ich es dieses Jahr noch schaffe.
Grüße Lothar
Wer weiß was da hängen geblieben ist.
Florian Blümm
30 Juni 2019Hi Lothar,
die Angst nach Tschernobyl muss krass gewesen sein. Aber etwas Ähnliches ist auch vorher noch nie passiert und Informationen aus der Sowjetunion gab es keine. Mittlerweile wissen wir, dass es zwar schlimm war, aber viele der Ängste doch übertrieben waren. Naja, außerhalb der deutschen Medien wissen wir das zumindest ;)
Du hast recht, man sollte möglichst bald hin. Es ist ja schon seit Jahren nicht mehr offiziell erlaubt die Gebäude zu betreten wegen Einsturzgefahr. Mich hat ehrlich gesagt gewundert mit welcher Selbstverständlichkeit wir da mit einer großen Gruppe durchgelaufen sind. Wenn da mal ein Unfall passiert ist es aus…
Ja und wie du sagt, es werden auch jedes Jahr mehr Besucher. Das liegt an der Fernsehserie und es erfahren auch immer mehr Leute, dass ein Besuch überhaupt möglich ist. Als wir 2011 Richtung Transsib durch Kiew gefahren sind, hätte ich mir das noch nicht vorstellen können.
Grüssle,
Florian
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