Mit Mitte 30 zu alt zum Backpacking? Anja wird Flashpackerin

Gastbeitrag von Anja @happybackpacker.de Anja aus Berlin ist begeisterte Individualreisende mit mehr als 10 Jahren Backpacking Erfahrung im Rucksack. In ihrem Beitrag schildert sie, warum sie sich zu alt zum Backpacking fühlt und was sie heute anders macht.

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Anja beim Backpacking - Foto: Anja

Punta del Diablo ist ein kleines Fischerdörfchen in Uruguay. Seit Stunden liege ich in einem Hostel in meinem schmalen Doppelstockbett und zähle Schäfchen. Mein Zimmer liegt genau neben der Rezeption und eine nicht enden wollende Party sorgt für Stimmung und bei mir für Kopfschmerzen. Die Türen knallen, das Licht wird an- und ausgeschaltet und Plastikbeutel knistern die ganze Nacht.

Wenn ich meine Augen schliesse, stelle ich mir vor, dass ich inmitten eines lauten Nachtclubs auf einer engen und wackligen Diskokugel liege und die Menge um mich herum tanzt und grölt, während ich versuche, zu schlafen. Es regnet seit Stunden in Strömen und Wasser tropft von der Decke in mein Bett. Als sich mitten in der Nacht noch ein Pärchen lautstark näher kommt, ist mein maximales Frustlevel erreicht.

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Backpacker Beach Bar

Nie wieder Backpacking!

„Gleich morgen früh würde ich um ein neues Zimmer bitten,“ nahm ich mir genervt vor. Leider war das Hostel komplett ausgebucht und kein Umbuchen möglich. Der Zimmerpreis für eine Sechsmann-Dorm betrug umgerechnet 7 Euro und war unschlagbar, aber kein Sparerlebnis der Welt rechtfertigt so eine schlaflose Nacht, in der ich mich vor allem eins fühlte: Unheimlich alt und müde.

Nach Erholung hat sich diese Erfahrung wirklich nicht angefühlt – Low-Budget Reisen kann unheimlich anstrengend werden.

In jener Nacht fasste ich den Entschluss, dass meine Tage als feilschende Backpackerin gezählt sind. Ich habe keine Lust mehr, jeden Cent dreimal umzudrehen. Ich will nicht mehr in einem gammeligen Hostel „coole“ Partys feiern um einen Euro zu sparen. Bin ich mit Mitte dreißig etwa zu alt geworden, um individuell zu reisen?

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Backpacker "Partyboot" auf dem Mekong

Andere Prioritäten

Natürlich bin ich nicht zu alt für Individualreisen, aber meine Prioritäten haben sich verschoben. Weder übernachte ich nun in Luxushotels, noch buche ich Pauschalurlaub auf Malle. Nein, ich befinde mich gewissermaßen in einem Reifeprozess, den ich selbst nie für möglich gehalten hatte:

Vom Backpacker zum Flashpacker

Vielleicht fragt ihr euch jetzt, was ist denn überhaupt ein Flashpacker?

Sowohl Flashpacker als auch Backpacker eint die Suche nach besonderen Erfahrungen abseits des Massentourismus und Pauschalurlaubes. Beide sind preisbewusst und wollen einzigartige Erfahrungen sammeln fernab der ausgelatschten Touristenpfade.

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Fliegen ist bequemer

Was ist ein Flashpacker?

Kennst du auch diese pseudo-jugendlichen Reisenden, die mit 52 noch den ganzen Tag in Hostels rumhängen und krampfhaft einen auf jung machen? Genau das brauchen Flashpacker nicht mehr. Mit dem Alter rückt das Party feiern in den Hintergrund und es wird mehr Wert auf Komfort gelegt.

Zwar reisen sie durchaus mit dem Rucksack, gönnen sich jedoch auch den einen oder anderen Luxus wie etwa die schnellere Flugroute, ein schickes Restaurant oder ein Einzelzimmer in einem lauschigen Hotel. Eben weil sie durch ihre Berufstätigkeit mehr Geld zur Verfügung haben und ihre Körper etwas Ruhe und Erholung zwischen all den Abenteuern gönnen wollen.

Trotzdem wollen sie für Land und Leute offen bleiben und tief in die Kultur eintauchen. Gar nicht so anders als bei den Backpackern und gerade in vielen asiatischen Ländern mit dem günstigen Preis-Leistungsverhältnis ist die Grenze zwischen Backpackern und Flashpackern oftmals fließend.

Anjas Checkliste für Flashpacker

  • Ausrüstung: Trolley oder Koffer
  • Viel Technikspielzeug wie MacBook, GoPro und High Tech Kameras sind dabei
  • Alter: Oftmals jenseits der 30
  • Budget: Haben mehr Geld zur Verfügung
  • Zeit geht vor Geld
  • Motto: „Gibt es auch einen Wellnessbereich?“
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Backpacker mit Trolley

Was ist ein Backpacker/Budgetpacker

Backpacker, oder zur besseren Unterscheidung auch Budgetpacker genannt, sind die klassischen Rucksacktouristen. Es wird um jeden Cent gefeilscht und wenn es eine billigere Alternative zum bequemen Direktflug gibt, dann wird diese auch genommen. Selbst wenn das einen zwölf Stunden Aufenthalt an einem weit ab vom Schuss liegenden Flughafen mit effektiver Einsparung von 30 Euro bedeutet. Mit den 30 Euro kann man immerhin wieder zwei Tage länger unterwegs sein!

In den Anfängen des Massentourismus waren Flüge viel zu teuer für die meisten Backpacker und Infrastruktur gab es kaum. Und so fuhren sie eben in ihren klapprigen VW-Bussen selbst an ihre Traumziele auf dem „Hippie Trail“ nach Südostasien – oder per Anhalter. Und bis heute stehen Backpacker auf günstige Unterkünfte und Transportmittel. Sie reisen lieber länger als dass sie durch zu großen Komfort ein Loch in ihre klamme Reisekasse reißen.

Mittlerweile ist das Backpacking aber eine echte Massenbewegung geworden und jeder Schulabsolvent, der etwas auf sich hält, scheint ein Jahr Working Holiday in Australien zu machen oder lässt sich in Thailand die Sonne auf dem Bauch scheinen. Es werden wilde Partys auf Kho Phangan gefeiert oder nur noch mit anderen Reisenden abgehängt, was sich vom Grundgedanken des Individualreisens und Entdeckens immer mehr entfernt.

Anjas Checkliste für Backpacker/Budgetpacker

  • Essentielle Ausrüstung: Der Backpacker-Rucksack
  • Back to the basics!
  • Alter: Meist sehr jung, oft Schüler und Studenten
  • Geringes Reisebudget
  • Geld geht vor Zeit – stundenlange Umwege, um einen Euro zu sparen sind es wert!
  • Motto: „Geht das auch noch günstiger?“
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Budgetpacker sind meistens jung

Und was nun?

Die Grenzen sind wohl fließend und es gibt keine Altersbegrenzung für das Backpacking. Niemand ist je zu alt oder zu jung zum Reisen. 60-jährige Backpacker sind ebenso normal wie 20-jährige Flashpacker, die ohne ein bisschen Luxus einfach nicht können. Es gibt kein richtig oder falsch. Richtig ist, was sich gut anfühlt, beim Reisen noch mehr als sonst im Alltag.

Die unglaubliche Lust am Reisen und Erfahrungen sammeln eint jeden Reisenden und egal, zu welcher Form des Backpackings du gehörst, Hauptsache du hast Spaß dabei und genießt den Augenblick.

Ich habe mich jahrelang dagegen gewehrt und habe mich sogar ein bisschen dafür geschämt, mir ab und zu etwas Luxus zu gönnen, aber mittlerweile habe ich gar keine Probleme mehr damit, im Notfall etwas tiefer in die Tasche greifen zu müssen, damit ich meinen geruhsamen Schlaf bekomme. Ich bin dem Backpacking wohl entwachsen und nun eine echte Flashpackerin – stilecht mit Rucksack, den man zum Trolley umbauen kann. So ganz entscheiden kann ich mich dann wohl immer noch nicht.

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Anja beim Flashpacking - Foto: Anja

Ich sehe das so wie Anja, alles muss man sich nicht mehr antun nur um einen Euro zu sparen. Andererseits will ich kein Geld für Luxus ausgeben, auf den ich keinen Wert lege.

Um das von Anja geschilderte Partypacking habe ich ehrlich gesagt schon immer einen großen Bogen gemacht. Auch ein Dorm Bett habe ich seit 2 Jahren nicht mehr gesehen, weil ich zusammen mit meiner Freundin reise.

Budgetpacker, Flashpacker, letztendlich sind wir doch alle Individualreisende, oder?
Was meinst Du dazu?

Wenn Du Dich für das Alleinreisen als Frau interessierst oder wissen willst, was Glamping ist, schau gleich auf Anjas Blog vorbei.

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