Venezuela – günstig reisen mit dem Währungs-Schwarzmarkt

Ein Gastbeitrag von Beatrice Sonntag. Beatrice ist Vielreisende und besucht bald ihr hundertstes Land.

Eine Reise nach Venezuela ist wegen des Langstreckenfluges natürlich keine billige Angelegenheit. Es gibt direkte Flüge der Lufthansa von Frankfurt am Main nach Caracas mindestens dreimal in der Woche und mehrere Alternativen bei denen man umsteigen muss. Mit etwas Glück erwischst Du einen Flug für um die 800 Euro (Hin- und Rückflug).

[Anmerkung flocblog] Alternativ fliegt Condor ab 350 Euro One-Way nach Trinidad und Tobago und von dort gibt es eine teure Fähre (ca. 90 EUR) nach Venezuela. Das ist aber nur etwas für Abenteurer, genauso wie die sehr beschwerliche Anreise über Land von Kolumbien.

wasserfall2
Natur in Venezuela (Foto: Beatrice Sonntag)
Der offizielle Wechselkurs

Aber wenn Du erst einmal in Venezuela bist, dann kannst Du sehr günstig reisen. Im Moment ergibt sich in Venezuela durch die Regierungskrise eine verrückte Situation. Der offizielle Wechselkurs für den Bolivar steht bei 1 Euro zu etwa 8 Bolivar. Dieser Kurs ist bei allen Banken festgeschrieben und wird auch von den Wechselstuben zum Beispiel am internationalen Flughafen in Caracas angewendet.

Auffällig ist jedoch schon bei der Ankunft, dass die Wechselstuben zwar besetzt sind, dass aber niemand auf die Idee kommt, diese zu nutzen. Das Personal der Banken und Schalter macht Kreuzworträtsel, trinkt Tee und unterhält sich mit Kollegen. Die große Mehrheit der Besucher weiß nämlich, dass der Schwarzmarktkurs beim zehnfachen Wert steht. Je nachdem, auf welchen Händler Du triffst kannst Du also für 1 Euro 70 bis 90 Bolivar erhalten.

chillen
Venezuela (Foto: Beatrice)
Der Schwarzmarkt

Ich hatte eine Rundreise mit einer lokalen Agentur in Venezuela gebucht. Schon im Vorfeld war ich instruiert worden, auf keinen Fall an den Wechselstuben Geld zu tauschen. Mein Kontakt hatte einen seiner Freunde in Caracas extra für mich zum Flughafen geschickt, damit dieser mich in den Schwarzmarkt „einweisen“ kann.

Am Flughafen empfing mich also ein freundlicher Herr, der mir eine Zigarette anbot. Als ich ihm sagte, dass ich nicht rauche, gab er mir zu verstehen, ich solle halt einfach so tun. Während ich mit ihm vor der Tür des Flughafenterminals bei einem Aschenbecher stand und hustete, ging alles ganz schnell. Wir kamen wie zufällig mit einem jungen Mann in Jeans und T-Shirt ins Gespräch und unterhielten uns über’s Wetter und die Sehenswürdigkeiten in Caracas. Und dann wechselten 100 Euro und 8000 Bolivar den Besitzer. Ich war begeistert. Erleichtert drückte ich die Zigarette aus und dankte meinem Schwarzmarktvermittler.

Beim zweiten Mal Tauschen an einem anderen Flughafen von Venezuela versuchte ich es dann auf eigene Faust und es ging fast wie von selbst. Der Schwarzmarkthändler fand viel mehr mich als umgekehrt. Wir unterhielten uns einen kurzen Moment lang wie alte Freunde und schon war ich zu einem Traumkurs meine Euros los. Mit den 8000 Bolivar meines ersten Tauschs kam ich locker zwei Wochen durch.

haus
Farbenfrohe Häuser in Venezuela (Foto: Beatrice)
Preise in Venezuela

Die Mahlzeiten sind weitgehend günstig, für 2-3 Euro kannst Du eine Pizza mit Getränk in einem Restaurant essen. Für weniger als einen Euro bekommst Du ein Bier und eine große Flasche Wasser. Ausflüge sind günstig und Souvenirs haben sehr moderate Preise. Das alles gilt natürlich nur dann, wenn Du vom inoffiziellen Wechselkurs ausgehst. Wer sein Geld tatsächlich bei der Bank tauscht, der wird staunen, wie teuer offiziell in Venezuela alles ist!

Es ist unglaublich, dass sich dieser verrückte Kurs schon seit Monaten tapfer hält, denn niemand wendet ihn an. Die Misswirtschaft der Regierung und die staatlich festgelegten Preise für eine Reihe von Lebensmitteln und Dingen des täglichen Gebrauchs haben dazu geführt, dass es für fast alles einen Schwarzmarkt gibt. Für den festgelegten Milchpreis kann niemand Milch produzieren. Deshalb gibt es kaum Milch, sondern nur Käse und Sahne. Das einzige was egal nach welchem Kurs spottbillig ist, ist Benzin.

Wenn Du mit einem Auto in Venezuela unterwegs bist, kannst Du für wenige Cent volltanken. Ob Du 35 Liter Benzin letztendlich für 4 Euro oder gar für 40 Cent (je nach Kurs) bekommst, das ist beides für europäische Autofahrer ein Traum. Beim Autofahren ist es aber vor allem als Tourist immer sinnvoll ein paar kleine Scheine in der Tasche haben, denn die Polizei macht stichprobenartige Kontrollen und verlangt immer freundlich lächelnd kleine „Trinkgelder“.

boot
Nationalpark in Venezuela (Foto: Beatrice)
Alles illegal

Es ist also unbedingt ratsam Bargeld mit nach Venezuela zu bringen. Auf Geldautomaten solltest Du in Venezuela nämlich tunlichst verzichten, weil auch sie den offiziellen Wechselkurs anwenden.

Ich habe meinen Reisebegleiter irgendwann gefragt, wie es denn möglich ist, dass alle Menschen nur auf dem Schwarzmarkt Geld tauschen und dass die gesamte Wirtschaft quasi illegal von statten geht. Da hat er nur gelacht und mir versichert, dass unter der aktuellen Regierung in Venezuela eigentlich alles illegal ist und dass man sich irgendwann daran gewöhnt.

Jeder wisse, dass das nicht ewig so weiter gehen kann, aber die Menschen müssen eben irgendwie damit klar kommen. Jeder tauscht immer so schnell wie möglich seine Bolivar in Dollar oder Euro um, weil keiner weiß, wie lange der Bolivar noch durchhält.

wasserfall
Wasserfall in Venezuela (Foto: Beatrice)

profil

Reiseland Venezuela

In Venezuela habe ich nicht nur Abenteuer auf dem Schwarzmarkt erlebt, sondern viele andere schöne Sachen gesehen. Ich habe den berühmten Salto Angel und viele andere Wasserfälle, die weniger berühmt aber mindestens genauso schön sind bestaunt. Ich habe mich auf unbequemen Booten über den Rio Carao und den Orinoco gequält und in einer Hängematte übernachtet. Die Natur dieses Landes ist einfach überwältigend. Allein schon wegen der Lagune von Canaima lohnt sich der weite Flug.

buch

Venezuela als Buch

Die ganze Geschichte über Beatrices wunderschöne und ein wenig illegale Venezuelareise, findest Du in ihrem Buch Traumziel: weit weg.

Außerdem geht es dort um leckere Mopane Würmer in Botswana, die politische Diskussion zum Sonnenuntergang in Israel und das Geheimnis des Schnittlauchs in der Mongolei. Fernweh garantiert. Das E-Book kostet 4,99 Euro und das Taschenbuch 12,90 Euro.

Danke Beatrice Sonntag von www.beatrice-sonntag.de!

cover3d_100_240
mehr Infos

1,879 Abonnenten
Reise Newsletter
plus: Reise Bildband

Infos zu Newsletter, Versender, Messung & Widerruf in der Datenschutzerklärung.

* Kein Spam, Kein Schmarrn


Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

    1. Das Video ist eine Kurz-Zusammenfassung des Films „Chavez: Inside The Coup“, ein sehr sehenswerter Film und absoluter Glücksfall für die Dokumentatoren.

      Dass Chavez versucht hat es seinem Volk recht zu machen bestreitet doch heute fast niemand mehr, oder? Aber Chavez hatte nunmal einen der schwersten Jobs der Welt.

      Die momentane wirtschaftliche Situation in Venezuela schaut dementsprechend alles andere als rosig aus. Das Problem ist meiner Meinung nach sicher nicht Chavez sondern die sogenannte „Holländische Krankheit“. Mit Ausnahme von Norwegen haben alle Öl exportierenden Länder große Probleme in nahezu allen anderen Wirtschaftszweigen.

  1. Super interessante Geschichte. Zeigt einmal wieder, dass Märkte eben immer wieder in Richtung Freiheit streben…

    1. Noch ein Beweis dafür, dass es nicht funktioniert: Die Regierungsmitglieder und die Familie von Hugo Chavez werden immer wieder in London, New York, Paris und Los Angeles beim Shopping fotografiert, was dann die Menschen im Land verärgert. Sie stehen also nicht einmal selbst hinter ihrer Idee vom Sozialismus.
      Beatrice

  2. Wow, wie spannend!
    Habe schon ähnliche Geschichten von meinen Freunden gehört, die für ein paar Wochen in Caracas arbeiten mussten. Dort wurde dann schon mal aus Versehen €200,- auf dem Schwarzmarkt gewechselt und danach ist man mit einem regelrechten Geldsack in das Hotelzimmer gestapft.

    Liebe Grüße
    Christina

  3. Sowas ähnliches habe ich schon mal über Argentinien gelesen. Dort gibt es den „Blue Dollar“ auf dem Schwarzmarkt, der auch deutlich attraktivere Wechselkurse als die offiziellen Wechselstuben hat.

    Allerdings ist der Unterschied dort immer noch nicht so stark im Vergleich zum Peso wie du in hier beschrieben hast. Das 10-fache…einfach nur WOW!

    Du hast geschrieben, ein Bier kostet weniger als einen Euro. Meinst du damit, dass ein Bier offiziell knappe 10Euro kostet?

    Schöne Grüße aus Chiang Mai,
    Daniel

    1. Hi,
      Ja, wenn man das Geld zum offiziellen Kurs wechselt, kostet ein Bier um die 10 Euro. Das ist natürlich verrückt. Die Regierung lebt in einer Traumwelt, in der das venezolanische Geld einfach wahnsinnig viel Wert ist. Und niemand könnte sich dort ein Bier leisten (bis auf die Regierungsmitglieder), wenn der offizielle Kurs angewendet würde… es kann also nicht mehr lange gut gehen.
      Beatrice

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.