Verzicht rettet die (dritte) Welt nicht

Verzicht hilft gegen die Klimaerwärmung. Aber die meisten Länder brauchen mehr Wohlstand statt weniger. Eine globale Sicht der Klimakrise.

Der Alltag in Indien ist Verzicht genug, hier fehlt Wohlstand

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir senken das Bruttosozialprodukt.

Umfangreicher Verzicht gilt oft als Lösung für die Klimakrise.

Und warum nicht: Verzichten ist ein Luxusproblem, oder?

Aber Luxusprobleme heißen aus gutem Grund auch Erstweltprobleme.

Und in Industrienationen leben nur gut eine Milliarde Menschen.

Verzicht rettet die Welt nicht, schon gar nicht die dritte Welt.

zweistöckige Hütten im Dharavi Slum in Mumbai

Die globale Sicht als Reisender

Du reist auch so gerne wie ich? Dann kennst du die globale Ungleichverteilung: In den allermeisten Ländern hast du als Reisender viel mehr Geld als Einheimische.

Besonders gilt das für Südasien, Südostasien, Afrika und den Großteil von Lateinamerika. Aber selbst im schnell aufsteigenden China gibt es noch viele arme Menschen.

Im 21. Jahrhundert überwinden immer mehr davon die Armutsgrenze oder kommen sogar zu bescheidenem Wohlstand. Das könnten wir nicht einfach aufhalten, selbst wenn wir wollten.

Verzicht in Industrieländern ist vielleicht denkbar. Aber in Entwicklungsländern ist das völlig unmöglich. Dort wollen die Menschen endlich auch ein Stück vom Kuchen.

Es geht eben nicht um ein paar SUVs in Industrieländern. Es geht darum was passiert, wenn ganz China SUV fahren will. In vielen Diskussionen zur Klimakrise fehlt die globale Sicht.

Quelle: Globalrichlist

Du bist einer der reichsten Menschen der Welt

Wir hören in den Nachrichten von den Opfern der Globalisierung, aber richtig vorstellen kann man sich das aus der Ferne nicht.

Daher erstmal eine Erdung: Wenn du das hier lesen kannst, gehörst du wahrscheinlich zum reichsten Zehntel der Menschheit.

Mit 1.000 Euro pro Monat Netto-Einkommen bist du laut Global Richlist reicher als 91% aller Menschen. Mit 2.000 Euro pro Monat netto wärst du sogar bei den obersten 1,3 Prozent.

5 Milliarden Menschen leben laut Our World in Data von weniger als 270 Euro pro Monat (10 USD pro Tag). 3,5 Milliarden Menschen leben sogar von weniger als 90 Euro pro Monat, das ist jeder zweite Mensch!

Verfügbares Tagesbudget weltweit - Quelle: Our World in Data CC-BY-4.0

Weniger Armut heißt mehr Klimakrise

Das klingt erst einmal schlimm. Aber vor 10 Jahren war es schlimmer und vor 50 Jahren noch viel schlimmer. 1820 haben noch 94% aller Menschen in absoluter Armut gelebt (weniger als 60 heutige Euro pro Monat)

Armut verschwindet langsam über die Jahrhunderte. Im Ausnahmefall China reichen sogar Jahrzehnte.

Je mehr Geld aber zur Verfügung steht, desto mehr steigt der Konsum. Je mehr konsumiert wird, desto mehr Klimaschäden und Umweltschäden werden verursacht.

Wohlstand ist in unserem Wirtschaftssystem klimaschädlich. Wenn wir sowohl Armut als auch die Klimakrise bezwingen wollen, müssen wir Wachstum und Klima entkoppeln.

Das ist um so wichtiger, weil die Folgen der Klimakrise im globalen Süden am Schlimmsten werden. Die Klimakrise bekämpfen heißt Armut bekämpfen.

Impossible Burger: 100% Geschmack, 0% Fleisch

Technologie ist eine Alternative zum Verzicht

Die Klimakrise ist eine Nebenwirkung von Technologie. Wir können schlechte Technologie aber genauso gut durch klimafreundliche Technologie ersetzen, statt darauf zu verzichten.

Für eine Verzichts-Lösung ist es sowieso zu spät. Laut Weltklimarat müssen wir unbedingt Technologien einsetzen, selbst um ausgestoßenes CO2 wieder aus der Luft zu holen.

Auch viele CO2-Emissionen lassen sich durch ein Technologie-Upgrade ohne Verzicht senken:

  • Landwirtschaft 2.0: Impossible Food & Insekten statt Massentierhaltung
  • Wärme & Strom 2.0: Erneuerbare & Kernkraft statt Kohle, Öl & Gas
  • Transport 2.0: Nahverkehr-Ausbau & Rideshares statt Privat-PKWs
  • Industrie 2.0: Ausrollen aktueller Technologie & Effizienzsteigerung

Technologische Lösungen sind aufwendig und teuer. Andererseits sind sie gesellschaftlich einfacher umzusetzen. Das gilt um so mehr in Entwicklungsländern, wo Verzicht keine Alternative ist.

Diese Jungs aus Äthiopien brauchen ein Vorbild

Industrieländer müssen ein Vorbild sein

Natürlich schließen sich Technologie und Verzicht nicht aus. Aber Verzicht muss gering genug sein um nicht nicht zum Verlust von Wohlstand zu führen. Industrieländer müssen ein Vorbild sein.

Viele Menschen in Entwicklungsländern schauen zu uns Industrieländern auf. Sie sehen in Filmen und TV-Serien, wie hoch unser Lebensstandard ist und wollen auch so leben.

Wenn wir zu viel von unserem Wohlstand aufgeben führt das nicht nur zu Akzeptanz-Problemen bei uns. Wir verlieren auch unsere Vorbild-Funktion im Rest der Welt.

Ein Vorbild können wir natürlich nur dann sein, wenn wir auch vorbildhaft handeln. Gegen Nichtstun oder schlechte Lösungen hilft der beste Vorbild-Status nichts.

Die deutsche Energiewende ist zum Beispiel zu teuer und wirkungslos zum Nachahmen. In Frankreich kostet der Strom halb so viel und die pro Kopf CO2-Emissionen sind halb so hoch. Das ist schon eher ein Vorbild, aber muss auch noch besser werden.

Gut gemeint: Aufruf zum freiwilligen Fleischverzicht

Freiwilliger Verzicht hilft erst recht nicht

Das war meine globale Sicht auf die Klimakrise als Langzeitreisender. Konnte ich dich davon überzeugen, dass Verzicht allein nicht die Welt rettet?

Wenn du weiterhin überzeugt vom Verzicht bist, setze dich zumindest für verpflichtende Gesetze ein. Freiwilliger Verzicht hat noch nie funktioniert.

Freiwilliger Verzicht geht davon aus, dass ein nennenswerter Teil der Bevölkerung von sich aus enthaltsam lebt. Das ist eine nette Idee, aber passt gar nicht zur menschlichen Psyche.

Verzicht zu einer moralischen Frage zu machen ist sogar eher schädlich als nützlich. In meinem Artikel zur Flugscham steht noch mehr dazu, warum es Gesetze braucht.

"Climate will be fine": die Politik ist tatenlos

Mach mit: Fridays for Future & Extinction Rebellion

Das heißt aber nicht, dass du persönlich machtlos bist. Es gibt viel bessere Hebel als freiwilligen Verzicht.

Zugegeben, die Politik scheitert ganz offensichtlich an der Klimakrise. Es ist sogar egal welches Land und welche Partei.

Aber zwei große globale Bewegungen setzen sich für Lösungen der Klimakrise ein. Beide planen in den kommenden Wochen größere Aktionen:

  • Fridays for Future ruft auf zum großen Klimastreik für alle am Freitag den 20. September 2019.
  • Extinction Rebellion blockiert Berlin und andere europäische Hauptstädte ab 7. Oktober 2019.

Extinction Rebellion veranstaltet regelmäßig Aktionen, vielleicht auch in deiner Stadt. Für mehr Infos schau zu einer Einführung im XR Café vorbei, in vielen deutschen Großstädten.

Was sind deine Gedanken zur Klimakrise?

Sehen wir uns bei der Demo und der Blockade in Berlin?

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