Geo Arbitrage: Geld Sparen durch Reisen

Reisen kostet viel Geld, das weiß jeder, der schon einmal im Urlaub war. Diese Binsenweisheit wird oft wiederholt und sie ist oft genug falsch.

Es kann sogar umgekehrt sein: Wenn Du reist gibst Du in den meisten Ländern weniger Geld aus, als wenn Du daheim bleibst. Reisen heißt Geld sparen!

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Tonsai Beach in Thailand - weniger als 10€ am Tag

Letzten Sommer in den USA wurden wir regelmäßig gefragt, wie wir uns das Reisen leisten können. Wir kamen gerade aus Südamerika und mussten erst einmal nach Luft schnappen angesichts dieser unmöglichen Frage. Die einzige Antwort ist:

„Wie kannst Du es Dir leisten nicht zu Reisen?“

Im Vergleich zu Bolivien gibst Du in den Vereinigten Staaten 3 Mal so viel Geld aus um einen vergleichbaren Lebensstandard zu erreichen. Ein Cappuccino im Cafe kostet statt €1,00 plötzlich €2,80 plus Trinkgeld (20%, nicht optional) und Du wirst böse angeschaut, weil Du nicht den €5,50 Frappuccino bestellt hast. Der Grund für diesen Unterschied ist Geo Arbitrage.

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Cappuccino im Cafe in La Paz, Bolivien für 1€

Die Globalisierung von Gütern ist weit fortgeschritten, aber die Mobilität von Arbeitskräften ist immer noch stark durch die Staatsangehörigkeit eingeschränkt. Diese künstliche Unregelmäßigkeit im Markt sorgt für Arbitrage Möglichkeiten. Preise für alltägliche Ausgaben hängen vom Einkommensniveau eines Landes ab. Selbst ein gut verdienender Bolivianer kann sich einen Cappuccino für €2,80 einfach nicht leisten.

Es geht um Angebot und Nachfrage. Wenn niemand Cappuccinos für €2,80 kaufen kann, weil das mehr ist als der Stundenlohn, dann kosten die Cappuccinos eben €1,00. Das geht natürlich nur, wenn alle lokalen Waren und Dienstleistungen ebenfalls nur ein Drittel kosten, sonst kann das Café keinen Gewinn machen. Diese ortsabhängige Form von Arbitrage nennt sich Geo Arbitrage.

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Globale Lebenshaltungskosten, grün ist günstig - Daten Numbeo, Karte © Mapquest

Und Bolivien ist keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil, global gesehen haben 3 von 4 Ländern ein Einkommensniveau von 25% und weniger, im Vergleich zu den USA, Australien und Westeuropa. Entsprechend niedrig sind die Lebenshaltungskosten. In vielen dieser Länder ist auch die Lebensqualität entsprechend niedrig, aber das ist nicht zwangsläufig so.

Man muss schon ein ausgesprochener Liebhaber sein um einen Aufenthalt im Sudan oder in Bangladesch zu genießen, auch wenn diese Länder sehr günstig sind. Dagegen kann man z.B. Thailand und Mexiko uneingeschränkt empfehlen. Für den gleichen Lebensstandard zahlt man in günstigen Reiseländern viel weniger als in Europa oder in den USA. Es gibt alle gewohnten Annehmlichkeiten und keinen Winter.

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Strassenszene in Kathmandu - Nepal gefällt nicht Jedem

Geld sparen in Entwicklungsländern, ist das nicht moralisch bedenklich?
Du sparst Geld im Vergleich zu Deinem Land, aber Du gibst ja Geld in diesen Ländern aus, so lange Du dort bist. Geo Arbitrage ist eine Folge von fehlenden Perspektiven für gut bezahlte Jobs in einem Land. Du solltest also einem Einheimischen nicht seinen Job und damit sein Einkommen wegnehmen. Aber es ist kein Problem Deine Fremddevisen in ein Land zu bringen und als lokale Devisen unter der Bevölkerung zu verteilen. Ganz im Gegenteil, das ist ein Vorteil für die Devisenreserven des Landes und für die Leute mit denen Du interagierst.

Aber Urlauber geben viel mehr Geld aus als Langzeitreisende!
Manche Leute spenden viel mehr Geld für wohltätige Zwecke als andere. Es ist ein logischer Fehlschluss zu sagen, entweder Du spendest viel Geld oder Du lässt es bleiben. Weniger Geld zu spenden als Andere ist nicht moralisch verwerflich und weniger Geld beim Reisen auszugeben auch nicht. Tatsächlich bringt jeder zusätzliche Euro einen Mehrwert und letztlich geben selbst Backpacker ein Vielfaches mehr aus als Einheimische.

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Thai Essen in Bangkok, €0,70 pro Teller

Wie bei wohltätigen Zwecken ist außerdem der Verwendungszweck wichtiger als die Geldmenge. Es gibt Wohltätigkeitsorganisationen, die um den Faktor 1000 effizienter sind als andere. Ebenso ist es wichtig für was Reisende ihr Geld ausgeben. 1 Individualtourist hat eventuell mehr Einfluss auf einen Ort als 1.000 Pauschalurlauber die ihr All-Inklusive Resort nicht verlassen.

Jedes Mal, wenn Du Geld ausgibst, stimmst Du für einen bestimmten Verwendungszweck. Angenommen Du bezahlst auf Deiner Reise:

  • 100 € für Souvenirs
    -> Ausbau der Souvenir-Industrie
  • 100 € für Busfahrten
    -> Ausbau von Busverbindungen
  • 100 € für teure Hotels
    -> Ausbau teurer Hotels
  • 100 € um in einem Weisenhaus mit Kindern zu spielen
    -> im schlimmsten Fall verkaufen Eltern ihre Kinder für den Waisenhaustourismus, so geschehen in Kambodscha.

Das ist eine starke Vereinfachung von komplexen Verhältnissen. Als Reisende müssen wir einfach vorsichtig sein, wie wir unser Geld ausgeben. Jede Art von Nachfrage steuert das Angebot. Wir Reisenden haben mit unseren im Vergleich großen Geldbeuteln einen entsprechend großen Hebel um Veränderungen zu bewirken – positiv und negativ, gewollt und ungewollt.

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Eine Fahrt auf dem Prader Riesenrad in Wien kostet so viel wie ein Tag am tropischen Strand

Zum Abschluss sind hier ein paar Zahlen aus erster Hand zur Geo Arbitrage. Dies sind meine Lebenshaltungskosten (Übernachtung, Essen, täglicher Bedarf, Bier) nach Land auf einen Monat gerechnet, während meiner Weltreise 2011/2012

  1.   338 €    Bangladesch
  2.   419 €    Nepal
  3.   430 €    Laos
  4.   443 €    Thailand
  5.   458 €    Kambodscha
  6.   464 €    Indien
  7.   487 €    Vietnam
  8.   566 €    Guatemala
  9.   594 €    China
  10.   601 €    Mongolei
  11.   638 €    Mexiko
  12.   825 €    Belize
  13. 1.133 €    Spanien
  14. 1.157 €    Russland
  15. 1.234 €    Kalifornien
  16. 1.680 €    Wien, Bratislava

Mehr Zahlen und Vergleichsmöglichkeiten von Städten und Ländern findest Du auf Numbeo, z.B. die allgemeinen Lebenshaltungskosten in Thailand verglichen mit Deutschland.

Die Reisekamera für meine Fotos ist eine Canon Profikompakte*

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